01.06.2019

Die Schifffahrt meldet sich

Die SCHIFFFAHRT meldet sich



Ein „offener Brief“ von Werner Schwarz vom 24.11.2014, eine E-Mail der besonderen Art an den Oberbürgermeister der Stadt Mainz, Herrn ..., wer eben am 24.11.2014 Oberbürgermeister war.
Ein wenig Hoffnung bestand schon, dass andere Schiffsleute von den vielen Tausenden mir gleich tun und parallel ebenfalls irgendwie gegen diese Vorgehensweise ihr Haupt erheben werden.

So ging das Ganze auf die Reise nach Mainz und ich warte bis zum heutigen Tage, 2019, dass irgendjemand aus dem Rathaus der Stadt Mainz etwas dazu zu sagen hat.
(Aus meinem Mailprogramm kopiert in einer etwas korrigierten Fassung.)

Hallo Mainz, 

sag mal, warum bist Du eigentlich auf einmal so schifffahrtsfeindlich?
Hat Dir die Schifffahrt nicht seit vielen Jahrhunderten die Treue gehalten? Haben Dich nicht schon die Römer mit ihren Schiffen beschützt und dafür Sorge getragen, dass Du wachsen und gedeihen konntest? Auf alle Fälle haust Du ganz schön auf den Putz mit der „Navis Iusoria“, dem römischen Überbleibsel, die Du ausgegraben hast, tust Wunder was, wie wichtig Dir das doch alles wäre, im Museum für Antike Schifffahrt. Hättest heut noch keinen Pfeffer, wenn es die Schifffahrt nicht geben würde. Hat sich nicht schon Napoleon Bonaparte mit Dir, Deinen Freihafen und Zolllagern befasst?
Tagte nicht bei Dir das erste Mal die Zentralkommission für die Rheinschifffahrt und wurde nicht bei Dir die Mainzer Akte ins Leben gerufen? Du hast auch da richtig Geschichte geschrieben, was die Schifffahrt und den dadurch folgenden Handel betraf.
Hast Du nicht auch durch die Rheinregulierung profitiert, die letztendlich der Schifffahrt wegen ins Leben gerufen wurde? Hast Du nicht sogar ein Weinlagerhaus errichtet, um Deinen Wein von Schiffen in die Welt transportieren zu lassen? Sag mal Mainz, wieviel Tonnen waren das eigentlich, sicher viele oder?

Hast Unmengen an Getreide versendet, gigantische Warenbewegungen gehabt, rühmst Dich damit, abertausende Schiffe be- und entladen zu haben. Hast Deine im Umland lebenden Kühe und Schweine mit dem Futtermittel versorgt, welches die Schiffe aus den fernsten Ländern anlieferten.
Hast Deine Tankstellen versorgt und Deine Öfen mit den Heizölen befeuert, das aus den fernsten Tanklagern via Schiff angeliefert wurde. Abgesehen von den Tausenden Tonnen Kohle, die Du einst dringend brauchtest, damit Dir der Arsch nicht gefriert.
Warst viele Jahre eine gigantische Sammelstelle für Flöße aus den Nebenflüssen, wenn Du Dich erinnern solltest. Die wurden zu riesigen Floßverbänden zusammengestellt und den Rhein hinunter bis in die Seehäfen gerudert und geschleppt.
Viele der entgegen kommenden Schiffe wussten,
dieses Floß kommt aus Mainz. Du hast Dir auch damit tatsächlich einen großen Namen gemacht, Mainz!
Denk mal an die Ruthof-Werft. Noch heute fahren Schiffe, die auf dieser Werft gebaut wurden. Der Schaufelraddampfer GOETHE oder dieses Bereisungsschiff der WSA, das sogar Deinen Namen trägt.
Waren sicher unglaublich viele Menschen, die in Deiner Stadt nur leben konnten, weil sie an dieser Werft, Deinen Häfen, dem Schiffsumschlag und den Fahrgastschiffen Arbeit fanden.
Und das über viele Generationen hinweg.
Wie war das nach den diversen Kriegen? War es u. a. nicht auch die Schifffahrt, die Dir Baumaterialien brachte und Altlasten abtransportierte?
Was hat Dich dazu bewogen, diesen Deinen Lebensbegleiter so in den Arsch zu treten? Seit Jahrhunderten gehen Schifffahrtstreibende bei Dir ein und aus, viele Tausend Schifferbeine haben Dich immer mit Freude betreten. Du warst immer eine beliebte und auch notwendige Zwischenstation für die Schifffahrt. Sei es, um den nächsten Tag abzuwarten, weil man des Nachts nicht durch das Gebirge fahren durfte oder wollte. Oder, um einfach mal etwas einzukaufen, etwas zu essen, Getränke usw. Du warst einfach perfekt, direkt an dieser Mauer am Zollhafen, kurze Wege und man muss nicht so lang und weit schleppen, was man bei Dir eingekauft hat.
Oder gar, weil Du eine schöne Stadt bist, die man vom Liegeplatz am Zollhafen sehr gut erreichen kann. Oder aber, heutzutage, um Personalwechsel zu machen. Du bist eine ideale Station, da Du mit Stromkilometer 500 ziemlich die Mitte des Rheins bist und für das wechselnde Personal, das vom Unter- oder Oberlauf, links und rechts von Dir anreist, gleich weit entfernt bist. Die Bahn hält regelmäßig an Deinem Bahnhof und der Flughafen liegt auch gleich um die Ecke.
Was ist passiert? Warum trittst Du diese, Deine lange Geschichte auf einmal mit Füßen? Dir ist schon klar, dass Du der treibenden Schifffahrt so richtig eine aufs Maul gehauen hast, oder?
Warum willst Du uns auf einmal nicht mehr haben?
Hat der Mohr seine Schuldigkeit getan?
Warum lässt Du uns nicht diese paar hundert Meter Mauer am Zollhafen, damit wir weiterhin etwas mehr an Deinem Leben teilhaben können?
Warum verweigerst Du Deinen Bürgern, uns näher kennenzulernen?
Warum muss für Dich Schifffahrt nur durch vorbeifahrende Schiffe bestehen?
Noch immer sind wir in unserer Tätigkeit präsent. Anscheinend mehr, als Du zu glauben vermagst. Siehe Weisenau, Mombach, Gustavsburg usw. versorgen Dich noch immer treu und redlich. Es merkt nur keiner mehr, weil man uns an die Stadtränder verbannt hat. Die Schifffahrt ist sehr schockiert und enttäuscht über Dein Handeln. Du bist nur noch im negativen Sinne erwähnenswert und Dich nur eines Blickes zu würdigen, fällt uns sehr schwer. Dich im Zusammenhang mit einer Geschichte aus unserem Leben zu würdigen, wird immer schwieriger. Keine Geschichte mehr, die man sich über Mainz erzählen wird. Keine Überlieferung an den Nachwuchs, außer, dass Du uns verbannt hast. Letztendlich wirst Du nur ein Wort sein, welches man für den Erwerb eines Schifffahrtspatentes kennen muss.
Vielleicht denkst Du mal darüber nach und entschließt Dich vielleicht doch noch, uns irgendwie weiterhin an Deinem Leben teilhaben zu lassen. Ich glaube, das bist Du mir schuldig.

Trotzdem Grüße ich Dich, weil es der Anstand gebietet.
Deine Schifffahrt.

Kaimauer mit dem rund 3 Meter hohen Steinwurf aus Tausende Tonnen Wasserbausteinen, der das Anlegen von Binnenschiffen unmöglich werden lies, Einfahrt zum alten Zollhafen - jetzt Yachthafen mit rund 140 Liegeplätzen - und mit der neuen, für Binnenschiffe nicht passierbaren Brücke, Dalben am ehemaligen Containerterminal der Fa. Frankenbach mit den entfernten Landverbindungen. Rund eine Milliarde Euro sollen bis 2025 hier für das neue Stadtquartier Wohnen am Zollhafen ausgegeben werden. (v. o. n. u.)
Fotos: Werner Schwarz

Ich schrieb noch ein paar Worte zum Verfasser, nannte meinen Namen und dass ich seit 1978 in der Binnenschifffahrt und heute noch als Kapitän tätig bin. Ich ergänzte noch Folgendes:
Die Binnenschifffahrt ist im vollen Umfang sehr entsetzt, verletzt und auch enttäuscht, was da so vor den Toren dieser Stadt passiert. Ich bin der Meinung, dass Sie und Ihre Stadtväter das wissen sollten. Sie können davon ausgehen, dass WIR, ALLE Binnenschiffer, die diese Anlegemöglichkeit an ihrer Stadt als extrem wichtig bezeichnen, Ihrem Handeln mit dem aller größten Protest begegnen.
Der Fluss lebt nicht nur vom Fließen allein, das, was sich darauf bewegt, ist das, was ihn leben lässt, und damit sind nicht nur Enten und Schwäne gemeint. Die Courage, die Schifffahrt im vollen Umfang abzuschaffen, hat dann auch keiner. Jeder weiß, dass es ohne Schifffahrt nicht funktionieren wird. Die Straßen sind jetzt schon überlastet und das Schienennetz müsste verdoppelt werden, abgesehen von den biologischen Aspekten. Weder Bahn noch Lkw könnte das abfangen, was die Binnenschifffahrt leistet, und trotzdem wird sie immer mehr vom „normalen“ Leben ausgeschlossen. Dass man Güterwagons außerhalb der Stadt platziert, bedarf keiner Frage, denn diese werden nicht von Menschenhand bewegt, die am sozialen Leben teilhaben möchte. Wie auch immer.
Hier geht es darum, dass man diesen wichtigen Wirtschaftszweig, der von Menschen bewegt wird, immer weniger Beachtung schenkt. Ihnen Kultur und Lebensqualität nimmt und sie dafür bestraft, dass sie einen enormen Teil zum Wirtschaftswachstum in diesem Land beitragen.
Auszug aus der Begleitbroschüre zum Film 220 Millionen Tonnen - Binnenschifffahrt Heute und Morgen: Mainz, eine ziemlich miese Geschichte …

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Kommentare sind auch willkommen.
 
Begleitbroschüre zum Film 220 Millionen Tonnen.
 
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