07.06.2019

Eventlesung

Eventlesung
Schlechtwetterzonen



Am 7. Juni 2019 fand im Café Maggie eine von der Arge IAVM gestaltete „Eventlesung“ statt.


Gelesen wurde aus dem Buch von Werner Schwarz: Schlechtwetterzonen. Voraus, voraus und allzeit Gute Fahrt. Autobiografie, Band I. Iatros-Verlag 2019. Diese Lesung wurde nicht von ungefähr als „Eventlesung“ bezeichnet, denn sie unterschied sich in zahlreichen Aspekten von einer herkömmlichen Lesung.
An der Lesung nahmen ca. 25 Personen unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Profession teil. Das Spektrum reichte dabei von LiteraturstudentInnen bis hin zu Vertretern des Projekts „Unser Haus“ (Projekt für und von Menschen mit Heimerfahrung).
Die Lesung wurde mit großem Interesse und anschließender reger Diskussion begleitet.

Alida Ratzek war eine unsere Vorleserinnen aus dem Publikum.
Foto: Uwe Seibt

Resümee

Grundsätzlich kann das vorliegende Konzept einer Eventlesung auf unterschiedliche Bücher übertragen werden. Den Text und nicht den Autor in den Mittelpunkt einer Lesung zu stellen, animiert durchaus dazu, sich mit diesem als Zuhörer_in intensiver auseinanderzusetzen und besser auf Details zu achten und zuzuhören. Es erfordert meistens mehr Aufmerksamkeit, sich auf einen mündlichen Vortrag zu konzentrieren, da man hier schnell den Faden verlieren kann, wenn man abgelenkt ist. Wenn man ein Buch liest, kann man sich in die entsprechenden Passagen immer wieder vertiefen. Durch das Eigeninteresse der Zuhörer, allein vom Text ausgehend sich vom Autor ein Bild zu machen, wird die Konzentrationswilligkeit und Fähigkeit um ein Vielfaches erhöht.
Der Text erhält so auch eine Art Eigenleben und Dasein, was bei der Zuhörerin /  beim Zuhörer nicht an eine bestimmte Autor_in gekoppelt ist.
In der Literaturbetrachtung war man viele Jahre an einen engen Zusammenhang von Autor und Text gebunden. Texte wurden gerade danach untersucht und ausgewertet, inwieweit sie Ideen und Vorstellungen gerade der Autor_in widerspiegeln, inwieweit sie von deren / dessen Persönlichkeit geprägt wurden. Natürlich ist es ein unumstößlicher Fakt, dass Texte von der Autorin / vom Autor und deren / dessen Ideen geprägt werden. Allerdings ist es auch wiederum ein Faktum, dass, je mehr die Leser_in vorher über die Autor_in eines Textes weiß, auch deren / dessen Wahrnehmung eben von diesem Wissen geprägt wird. Die Interpretation des Textes fällt nicht selten völlig anders aus in Abhängigkeit davon, ob man vorher etwas von der Autorin / vom Autor weiß, den Text mit dieser / diesem verknüpft oder nicht.

In den Pausen sollten vorbereitete Fragen zum Autor beantwortet werden.
Zur Förderung der Kommunikation und des Gedankenaustausches war ein Büfett vorbereitet worden.
Am Ende wurde der Autor vorgestellt und beantwortete die Fragen der Zuhörer.
Fotos: Uwe Seibt

So wird eine von der Autor_in nicht beeinflusste Textinterpretation als „textimmanent“ bezeichnet. In der Literaturwissenschaft wird diese Methode häufig angewandt. Bei Autorenlesungen aber wird eben durch die Dominanz der lesenden Autorin / des Autors meist eine andere Art der Textwahrnehmung entstehen. Wenn man so vorgeht wie bei der Eventlesung und die Autor_in erst am Ende der Lesung in den Vordergrund treten lässt, so kann es dazu führen, dass eben zusätzliche Bedeutungsebenen des Textes erschlossen werden, die vorher unbeachtet geblieben wären.
Bewusst wurde für unsere erste Eventlesung das Genre einer Autobiografie ausgewählt. Das Besondere dieser Form der Erzählung besteht ja in der Identität von Autor, Erzähler und Protagonist. Zwar spricht jede Autobiografie aus einer sehr subjektiven Perspektive, dennoch wird ihr ein größerer Authentizitätsgehalt zugeschrieben, als zum Beispiel dem autobiografischen Roman. So lassen sich aus autobiografischen Texten, speziell im Kontext einer Eventlesung, eher Anhaltspunkte auf den eigentlichen Autor ablesen. 
Wie weiter oben schon ausgesagt, eignen sich für die Eventlesung eigentlich grundsätzlich alle Texte. Man kann auch Lesungen aus Werken an sich bekannter Klassiker gestalten, die sich eventuell sogar dann an Schulklassen und Studenten_innen richten könnten, um im Lernprozess erworbenes Wissen einmal anders abzurufen.
Auch kann sich die Eventlesung Texten ganz unterschiedlicher Genres zuwenden. Auch lyrische Lesungen sind vorstellbar.
Der Ablauf der Lesung ist flexibel gestaltbar. Möglich sind solche Lesungen auch an unterschiedlichen Orten.
Wir würden uns freuen, wenn das Konzept der „Eventlesung“ weitere Anhänger fände und verbreitet würde und wir dann dazu eine Rückmeldung erhalten könnten.

Begleitbroschüre zur Eventlesung (Broschur, 40 Seiten, zahlreiche Farbfotos).

Download:

Links:



Gefördert durch:
Bürgerhaushalt Lichtenberg – Kiezfonds des Stadtteilzentrums Lichtenberg Nord.

  

  
   

01.06.2019

Die Schifffahrt meldet sich

Die SCHIFFFAHRT meldet sich



Ein „offener Brief“ von Werner Schwarz vom 24.11.2014, eine E-Mail der besonderen Art an den Oberbürgermeister der Stadt Mainz, Herrn ..., wer eben am 24.11.2014 Oberbürgermeister war.
Ein wenig Hoffnung bestand schon, dass andere Schiffsleute von den vielen Tausenden mir gleich tun und parallel ebenfalls irgendwie gegen diese Vorgehensweise ihr Haupt erheben werden.

So ging das Ganze auf die Reise nach Mainz und ich warte bis zum heutigen Tage, 2019, dass irgendjemand aus dem Rathaus der Stadt Mainz etwas dazu zu sagen hat.
(Aus meinem Mailprogramm kopiert in einer etwas korrigierten Fassung.)

Hallo Mainz, 

sag mal, warum bist Du eigentlich auf einmal so schifffahrtsfeindlich?
Hat Dir die Schifffahrt nicht seit vielen Jahrhunderten die Treue gehalten? Haben Dich nicht schon die Römer mit ihren Schiffen beschützt und dafür Sorge getragen, dass Du wachsen und gedeihen konntest? Auf alle Fälle haust Du ganz schön auf den Putz mit der „Navis Iusoria“, dem römischen Überbleibsel, die Du ausgegraben hast, tust Wunder was, wie wichtig Dir das doch alles wäre, im Museum für Antike Schifffahrt. Hättest heut noch keinen Pfeffer, wenn es die Schifffahrt nicht geben würde. Hat sich nicht schon Napoleon Bonaparte mit Dir, Deinen Freihafen und Zolllagern befasst?
Tagte nicht bei Dir das erste Mal die Zentralkommission für die Rheinschifffahrt und wurde nicht bei Dir die Mainzer Akte ins Leben gerufen? Du hast auch da richtig Geschichte geschrieben, was die Schifffahrt und den dadurch folgenden Handel betraf.
Hast Du nicht auch durch die Rheinregulierung profitiert, die letztendlich der Schifffahrt wegen ins Leben gerufen wurde? Hast Du nicht sogar ein Weinlagerhaus errichtet, um Deinen Wein von Schiffen in die Welt transportieren zu lassen? Sag mal Mainz, wieviel Tonnen waren das eigentlich, sicher viele oder?

Hast Unmengen an Getreide versendet, gigantische Warenbewegungen gehabt, rühmst Dich damit, abertausende Schiffe be- und entladen zu haben. Hast Deine im Umland lebenden Kühe und Schweine mit dem Futtermittel versorgt, welches die Schiffe aus den fernsten Ländern anlieferten.
Hast Deine Tankstellen versorgt und Deine Öfen mit den Heizölen befeuert, das aus den fernsten Tanklagern via Schiff angeliefert wurde. Abgesehen von den Tausenden Tonnen Kohle, die Du einst dringend brauchtest, damit Dir der Arsch nicht gefriert.
Warst viele Jahre eine gigantische Sammelstelle für Flöße aus den Nebenflüssen, wenn Du Dich erinnern solltest. Die wurden zu riesigen Floßverbänden zusammengestellt und den Rhein hinunter bis in die Seehäfen gerudert und geschleppt.
Viele der entgegen kommenden Schiffe wussten,
dieses Floß kommt aus Mainz. Du hast Dir auch damit tatsächlich einen großen Namen gemacht, Mainz!
Denk mal an die Ruthof-Werft. Noch heute fahren Schiffe, die auf dieser Werft gebaut wurden. Der Schaufelraddampfer GOETHE oder dieses Bereisungsschiff der WSA, das sogar Deinen Namen trägt.
Waren sicher unglaublich viele Menschen, die in Deiner Stadt nur leben konnten, weil sie an dieser Werft, Deinen Häfen, dem Schiffsumschlag und den Fahrgastschiffen Arbeit fanden.
Und das über viele Generationen hinweg.
Wie war das nach den diversen Kriegen? War es u. a. nicht auch die Schifffahrt, die Dir Baumaterialien brachte und Altlasten abtransportierte?
Was hat Dich dazu bewogen, diesen Deinen Lebensbegleiter so in den Arsch zu treten? Seit Jahrhunderten gehen Schifffahrtstreibende bei Dir ein und aus, viele Tausend Schifferbeine haben Dich immer mit Freude betreten. Du warst immer eine beliebte und auch notwendige Zwischenstation für die Schifffahrt. Sei es, um den nächsten Tag abzuwarten, weil man des Nachts nicht durch das Gebirge fahren durfte oder wollte. Oder, um einfach mal etwas einzukaufen, etwas zu essen, Getränke usw. Du warst einfach perfekt, direkt an dieser Mauer am Zollhafen, kurze Wege und man muss nicht so lang und weit schleppen, was man bei Dir eingekauft hat.
Oder gar, weil Du eine schöne Stadt bist, die man vom Liegeplatz am Zollhafen sehr gut erreichen kann. Oder aber, heutzutage, um Personalwechsel zu machen. Du bist eine ideale Station, da Du mit Stromkilometer 500 ziemlich die Mitte des Rheins bist und für das wechselnde Personal, das vom Unter- oder Oberlauf, links und rechts von Dir anreist, gleich weit entfernt bist. Die Bahn hält regelmäßig an Deinem Bahnhof und der Flughafen liegt auch gleich um die Ecke.
Was ist passiert? Warum trittst Du diese, Deine lange Geschichte auf einmal mit Füßen? Dir ist schon klar, dass Du der treibenden Schifffahrt so richtig eine aufs Maul gehauen hast, oder?
Warum willst Du uns auf einmal nicht mehr haben?
Hat der Mohr seine Schuldigkeit getan?
Warum lässt Du uns nicht diese paar hundert Meter Mauer am Zollhafen, damit wir weiterhin etwas mehr an Deinem Leben teilhaben können?
Warum verweigerst Du Deinen Bürgern, uns näher kennenzulernen?
Warum muss für Dich Schifffahrt nur durch vorbeifahrende Schiffe bestehen?
Noch immer sind wir in unserer Tätigkeit präsent. Anscheinend mehr, als Du zu glauben vermagst. Siehe Weisenau, Mombach, Gustavsburg usw. versorgen Dich noch immer treu und redlich. Es merkt nur keiner mehr, weil man uns an die Stadtränder verbannt hat. Die Schifffahrt ist sehr schockiert und enttäuscht über Dein Handeln. Du bist nur noch im negativen Sinne erwähnenswert und Dich nur eines Blickes zu würdigen, fällt uns sehr schwer. Dich im Zusammenhang mit einer Geschichte aus unserem Leben zu würdigen, wird immer schwieriger. Keine Geschichte mehr, die man sich über Mainz erzählen wird. Keine Überlieferung an den Nachwuchs, außer, dass Du uns verbannt hast. Letztendlich wirst Du nur ein Wort sein, welches man für den Erwerb eines Schifffahrtspatentes kennen muss.
Vielleicht denkst Du mal darüber nach und entschließt Dich vielleicht doch noch, uns irgendwie weiterhin an Deinem Leben teilhaben zu lassen. Ich glaube, das bist Du mir schuldig.

Trotzdem Grüße ich Dich, weil es der Anstand gebietet.
Deine Schifffahrt.

Kaimauer mit dem rund 3 Meter hohen Steinwurf aus Tausende Tonnen Wasserbausteinen, der das Anlegen von Binnenschiffen unmöglich werden lies, Einfahrt zum alten Zollhafen - jetzt Yachthafen mit rund 140 Liegeplätzen - und mit der neuen, für Binnenschiffe nicht passierbaren Brücke, Dalben am ehemaligen Containerterminal der Fa. Frankenbach mit den entfernten Landverbindungen. Rund eine Milliarde Euro sollen bis 2025 hier für das neue Stadtquartier Wohnen am Zollhafen ausgegeben werden. (v. o. n. u.)
Fotos: Werner Schwarz

Ich schrieb noch ein paar Worte zum Verfasser, nannte meinen Namen und dass ich seit 1978 in der Binnenschifffahrt und heute noch als Kapitän tätig bin. Ich ergänzte noch Folgendes:
Die Binnenschifffahrt ist im vollen Umfang sehr entsetzt, verletzt und auch enttäuscht, was da so vor den Toren dieser Stadt passiert. Ich bin der Meinung, dass Sie und Ihre Stadtväter das wissen sollten. Sie können davon ausgehen, dass WIR, ALLE Binnenschiffer, die diese Anlegemöglichkeit an ihrer Stadt als extrem wichtig bezeichnen, Ihrem Handeln mit dem aller größten Protest begegnen.
Der Fluss lebt nicht nur vom Fließen allein, das, was sich darauf bewegt, ist das, was ihn leben lässt, und damit sind nicht nur Enten und Schwäne gemeint. Die Courage, die Schifffahrt im vollen Umfang abzuschaffen, hat dann auch keiner. Jeder weiß, dass es ohne Schifffahrt nicht funktionieren wird. Die Straßen sind jetzt schon überlastet und das Schienennetz müsste verdoppelt werden, abgesehen von den biologischen Aspekten. Weder Bahn noch Lkw könnte das abfangen, was die Binnenschifffahrt leistet, und trotzdem wird sie immer mehr vom „normalen“ Leben ausgeschlossen. Dass man Güterwagons außerhalb der Stadt platziert, bedarf keiner Frage, denn diese werden nicht von Menschenhand bewegt, die am sozialen Leben teilhaben möchte. Wie auch immer.
Hier geht es darum, dass man diesen wichtigen Wirtschaftszweig, der von Menschen bewegt wird, immer weniger Beachtung schenkt. Ihnen Kultur und Lebensqualität nimmt und sie dafür bestraft, dass sie einen enormen Teil zum Wirtschaftswachstum in diesem Land beitragen.
Auszug aus der Begleitbroschüre zum Film 220 Millionen Tonnen - Binnenschifffahrt Heute und Morgen: Mainz, eine ziemlich miese Geschichte …

Mainz, Du kannst immer noch antworten ...
Kommentare sind auch willkommen.
 
Begleitbroschüre zum Film 220 Millionen Tonnen.
 
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