28.11.2014

Portraits

Transanders in der Platte
Queere Lebenswelten in Hohenschönhausen
- Portraits der Interviewpartnerinnen -




Wiebke Eltze
Projektleiterin Netzwerk für Demokratie
Licht-Blicke, Jugendfreizeiteinrichtungen gegen Diskriminierungen

Die Erfahrungen im Themenfeld Antidiskriminierungsarbeit belegen: Beleidigungen, Abwertungen und Diskriminierungen aufgrund kollektiver Merkmale gehören zum Alltag (nicht nur) in der Jugendarbeit. Angemessen darauf zu reagieren, ist nicht immer leicht für die Mitarbeiter_innen. Insbesondere Homo- und Transphobie sind ein immer wieder und in allen Bereichen anzutreffendes Phänomen. Es besteht daher der Wunsch seitens der Fachkräfte in der offenen Jugendarbeit nach kontinuierlichem Austausch und Verständigung in Hinblick auf ein abgestimmtes Vorgehen. Fachstandards können dabei als Orientierungsrahmen dienen, der Spielraum für inhaltliche Auseinandersetzungen und individuelle Handlungsstrategien bietet – zentral bleibt jedoch, wie dieser Rahmen im Sinne einer klaren Haltung und Positionierung gefüllt wird. Gerade in Bezug auf die eigene professionelle Haltung bestehen häufig Unsicherheiten, wie eine Positionierung im Sinne einer menschenrechtsorientierten Haltung konkret aussehen kann.
Der Fachaustausch griff diesen Bedarf mit der Entwicklung einer Handreichung (2013) auf – als Arbeitsergebnis des Projekts Jugendfreizeiteinrichtungen gegen Diskriminierung und eine Etappe auf dem Weg zu Fachstandards im Umgang mit abwertenden und ausgrenzenden Verhaltensweisen. Die Handreichung ist die Essenz aus gemeinsamen Fortbildungen, kollegialen Beratungen und zahlreichen inhaltlichen Diskussionen. Zur Unterstützung der permanent erforderlichen Reflexionsprozesse entstand der enthaltene Reflexionsbogen, der die Verständigung in den einzelnen Teams unter-stützen und einen Leitfaden bieten soll für die kontinuierliche Reflexion der täglichen Praxis und Haltungen.
Als hilfreich hat sich dabei eine externe Koordination und fachliche Begleitung (durch die Netzwerkstelle Licht-Blicke) sowie eine Prozessbegleitung (in Form eines externen Coachings durch das Mobile Beratungsteam Ostkreuz) erwiesen. So erfolgte eine regelmäßige Überprüfung der inhaltlichen Arbeit an den Standards sowie den fachlichen Kriterien und der Entwicklung des Selbstverständnisses. Dabei fiel die Entscheidung, den Schwerpunkt der Handreichung auf die Reflexion und die Unterstützung bei der Auseinandersetzung mit der eigenen Haltung sowie denen des Teams zu legen, um den Prozess weiterhin offen zu gestalten und Mitarbeiter_innen anderer Einrichtungen mit ihren Perspektiven einbinden zu können. Langfristig wird die Implementierung der Standards in die bezirklichen Leitlinien und die Übertragung auf weitere Bereiche wie die Straßen- oder Schulsozialarbeit sowie weitere Bezirke Berlins angestrebt.


2013 wurden den ersten elf Einrichtungen im Bezirk die Eingangsschilder mit dem Projektlogo und dem Zusatz „Dein Raum für Vielfalt“ verliehen, der den Schutzraum-Gedanken für alle sichtbar nach außen tragen soll – ebenso wie das Logo auf T-Shirts, Pullovern und Aufklebern, das einen Gesprächseinstieg bietet und zugleich die (öffentliche) Identifikation mit dem Projekt.
Das Projekt wird seit 2011 über den LAP Hohenschönhausen gefördert. Schwerpunkt ist die Entwicklung von Fachstandards im Umgang mit Diskriminierungen in der Offenen Jugendarbeit sowie der Straßen- und Schulsozialarbeit. Der Kreis der beteiligten Mitarbeiter_innen hat sich mittlerweile auf zwölf Jugendfreizeiteinrichtungen erweitert, die sich seit Anfang 2010 regelmäßig treffen, um sich inhaltlich auszutauschen sowie die Standards zu entwickeln. Die Netzwerkstelle Licht-Blicke koordiniert und begleitet dieses Projekt von Anfang an und bietet fachliche Unterstützung. Gleichzeitig verfolgt das Projekt das Ziel, die Beteiligung und die inhaltliche Auseinandersetzung der Jugendlichen in den Einrichtungen über individuell abgestimmte Workshops und Methoden zu stärken und sie so in den Prozess einzubinden: u. a. über Workshops mit jugendkulturellen Ansätzen (Graffiti, Skateboarding, HipHop), die mit der Beschäftigung mit Diskriminierungsebenen wie Alltagsrassismus und Homo-/Transphobie verbunden werden. Die am Projekt beteiligten Einrichtungen präsentierten jedes Jahr bei einem Fachgespräch die bisherigen Arbeitsergebnisse und 2013 die entstandene Handreichung, die als Unterstützung bei der Auseinandersetzung mit Diskriminierungen dienen soll.

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Ute Kästorf

Sie wohnt bereits seit 1986 in Berlin Hohenschönhausen.
Sie hat einen wachen Blick auf die Menschen, die sie umgeben. Dabei wird sie auch damit konfrontiert, wie eine Transfrau an einer Straßenbahnhaltestelle gemobbt wird. Sie registriert dies nicht nur, sondern wagt sich auch, etwas dagegen zu sagen.
Leider ist solch couragiertes Auftreten nicht selbstverständlich. Dennoch ist Ute davon überzeugt, dass Mobbing und Ablehnung von Personen, die anders sind, nicht unbedingt typisch für einen „Plattenbezirk“ wie Hohenschönhausen sind.
Allerdings ist sie der Meinung, dass die kaum vorhandenen Beratungsangebote oder Treffmöglichkeiten für lesbische, schwule oder transidente Personen in Hohenschönhausen durchaus ein noch zu behebendes Defizit darstellen.

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Dr. Sandra Obermeyer

Jg. 1971, stammt aus Waltrop (Krs. Recklinghausen, Nordrhein-Westfalen).
Die promovierte Juristin mit Schwerpunkt Öffentliches Recht, insb. Verfassungsrecht arbeitet nach wissenschaftlicher Tätigkeit an der Universität Bielefeld als Referentin für die Linksfraktion im Bundestag. Seit Mitte 2009 war sie Referentin in der Senatsverwaltung des Landes Berlin im Querschnittsgebiet Frauen und Gleichstellung. Nebenberuflich arbeitet Frau Dr. Obermeyer als Dozentin und Autorin zu den Themen Gleichstellung und rechtliche Grundlagen der Politik. Im Juni 2013 wurde sie als Bezirksstadträtin im Bezirk Lichtenberg von Berlin gewählt und leitet die Abteilung Jugend und Gesundheit.
Frau Dr. Obermeyer setzt sich seit Jahren für die Belange queerer Menschen ein. Im Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit stehen seit einigen Jahren Aspekte des rechtlichen Umgangs mit Transsexualität bzw. Transidentität. Zu verweisen ist in diesem Zusammenhang auf ihre Publikation: Zum rechtlichen Umgang mit Transsexualität bzw. Transidentität – insbesondere zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum sog. Transsexuellengesetz. (In: IFFOnZeit, 2. Jg. Nr. 2, 2012, S. 21 – 31; Auszüge daraus siehe in dieser Broschüre im Abschnitt zur Transsexualität).

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Maike Ruby Röwer

Maike begann ihren Weg zu sich selbst im Jahre 2006. Sie spürte zwar schon, wie viele andere transidente Menschen auch, dass etwas mit ihr anders ist. Doch den Ausschlag, das Tor zum wahren Ich in ihrem eigenen Inneren zu öffnen, gab erst ihre damalige Freundin und Partnerin, die sie seit Beginn des Weges auch aktiv unterstützte.
Der Wunsch, endlich richtig Frau zu sein, wurde mit den Jahren stärker. Doch die Gegebenheiten in Provinzstädten im Westen Deutschlands waren nicht optimal genug für diesen Wunsch. So erfuhr sie auch Mobbing und Zurückweisung von Freunden, Arbeitgebern und Organisationen, bei denen sie sich ehrenamtlich engagiert hatte.
Ihr Ziel wurde nun Berlin. Maike scheute sich nicht, eine Wohnung in Ostberlin und noch dazu in einem Plattenbaubezirk wie Hohenschönhausen zu suchen und zu finden. Sie fühlte sich von Anfang an in ihrer neuen Umgebung wohl. Dennoch ging es auch hier nicht ganz ohne Pöbeleien auf der Straße ab. In Berlin konnte Maike dann mit den ersten Schritten auf ihrem Wege, wie der Hormonbehandlung und dem Antrag auf Vornamens- und Personenstandsänderung fortfahren. Die offiziellen Dokumente wurden im Jahr 2014 dann auch geändert.
Die geschlechtsangleichende Operation ist für 2015 geplant.
Die Zeit des Wartens ist nicht einfach und auch persönliche Rückschläge gab es schon zu verkraften. Doch Maike lässt sich nicht unterkriegen. Sie engagiert sich aktiv ehrenamtlich, so zum Beispiel beim THW Berlin.

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Justine W.

Auf den Weg zu ihrem Selbst begab sich Justine erst sehr spät und es dauerte fast 3 Jahre, bis sie sich eingestand, dass sie nur sie selbst nämlich authentisch sein kann, wenn sie diesen Weg geht.
Heute ist sie sehr froh, dass sie sich trotz fortgeschrittenen Alters dazu entschieden hat, endlich das zu leben, was sie seit ihrer Kindheit als richtig für sich erkannt, aber nie sich zugestanden hatte, da das Thema Trans* in der Nachkriegsgeneration lange unbekannt war und erst dank Internet in die Gesellschaft getragen wurde.
Gesellschaftlich ist Justine ehrenamtlich im Berliner Sonntagsclub e. V. aktiv. Dort betreut sie den sogenannten „Dienstags-Club“, ein regelmäßiger Treff für transidente Menschen und deren Freunde, Familienmitglieder und Bekannte.
Seit nunmehr 6 Jahren ist sie im Trans*beirat des Sonntagsclubs aktiv. Dieser unterstützt aktiv die Beschäftigten und den Vorstand der Einrichtung in Fragen Trans*. Des Weiteren hilft er auch aktiv mit bei politischen Stellungnahmen und der Beantwortung von Anfragen von Gerichten und politischen Gremien zur Trans*-Thematik.
Außerdem engagiert sie sich bei dem Berliner Runden Tisch zum Thema Trans*- und Intergeschlechtliche Menschen. In dem vom Berliner Senat und der EU geförderten Projekt „Trans in Arbeit“ hat sie sich ebenfalls eingebracht.
Besonderen Respekt verdiente ihr Engagement bei der Aktion „Berlin liebt – Respekt macht's möglich“. Hier zeigte sie als eindeutig identifizierbare Transperson auf einem Plakat „Gesicht“ und gab so vielen Gleichgesinnten Mut, öffentlich zu werden und zu sich selbst zu stehen.
Justine ist darüber hinaus als Fotokünstlerin aktiv und hatte in den letzten 5 Jahren mehrere Einzel- und Gruppenausstellungen in und außerhalb Berlins.


Weitere Informationen zum Projekt:

Links:
  • externer Link Endlich ICH - Transsexuelle Erlebniswelten in Lyrik und Prosa 



Entwicklung, Implementierung und Umsetzung integrierter lokaler Strategien in Hohenschönhausen

Dieses Film- und Fotoprojekt wurde durch den Lokalen Aktionsplan (LAP) Hohenschönhausen im Rahmen des Bundesprogramms Toleranz fördern - Kompetenz stärken gefördert. Die Finanzierung erfolgt durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie durch das BA Lichtenberg.


   

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